Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im März 2022 erreichte den Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) in Berlin ein Hilferuf der Caritas Opole in Polen: 175 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Beeinträchtigungen, die zuvor tagelang in Bunkern ausgeharrt hatten sowie ihre 33 Betreuer und elf Angehörige mussten aus zwei Internaten in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw nach Deutschland in Sicherheit gebracht werden. Weitere Hilferufe folgten. Heute leben 250 Menschen mit Beeinträchtigungen aus der Ukraine in 18 Mitgliedseinrichtungen des CBP in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Sieben Jugendliche und junge ukrainische Männer mit Beeinträchtigung sind heute bei der CBW in Alsdorf beschäftigt und leben in einem Haus, das die Caritas Lebenswelten GmbH (CLW) in Eschweiler angemietet hat. Sie werden sowohl von Mitarbeitenden aus dem Internat in Kyjiw als auch von Mitarbeitenden der CLW begleitet. Während seines Besuchs in der Städteregion Aachen informierte sich Staatssekretär Rolf Schmachtenberg über die Beschäftigung der Geflüchteten aus der Ukraine bei der CBW.
Michael Doersch, Geschäftsführer der CBW, berichtete von den ersten Tagen der Geflüchteten in Alsdorf, wo sie - dank großem ehrenamtlichem Engagement der Mitarbeiter der CBW - in einer früheren Hausmeisterwohnung untergebracht und versorgt werden konnten. Die jungen Menschen mit Beeinträchtigung seien sehr verängstigt gewesen, jedes Geräusch habe sie verunsichert. Mit Hilfe der Mitarbeitenden des Internats aus Kyjiw, die im ständigen Kontakt mit der Heimat stehen, konnten sie Vertrauen fassen. Ute Dohmann-Bannenberg, Referentin des CBP, erklärte, dass eine der Hauptaufgaben der Einrichtungen darin bestand, Vertrauen aufzubauen, sowohl zu den geflüchteten Menschen mit Beeinträchtigungen als auch zu den Leitungen aus der Ukraine. Sie betonte, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland und in der Ukraine unterschiedlich gelebt werden. Im Miteinander galt es, ein beiderseitiges Verständnis darüber zu schaffen. Heute, zwei Jahre nach der Ankunft der Geflüchteten aus der Ukraine, ist spürbar, dass das Vertrauen und gegenseitige Verständnis gewachsen ist. Gennadiy Pidgainy, stellvertretender Leiter des Internats in Kyjiw, wünschte sich in Teilen vergleichbare Bedingungen wie in Deutschland auch für das ukrainische Internat. Er berichtete, dass die Arbeit in den Werkstätten die Geflüchteten völlig verändert habe. "Sie stehen morgens gerne auf und freuen sich darauf, zur Arbeit zu gehen." Sie leben in einem eigenen Haus in Ein- oder Zweibettzimmern und können sich frei bewegen. Er drückte seine Dankbarkeit dafür aus, dass er und die Betreuungskräfte aus der Ukraine die Haltung im Umgang mit Menschen mit Behinderungen in Deutschland kennenlernen dürfen.
Vor dem Hintergrund der Rückkehr der geflüchteten Menschen mit Beeinträchtigung nach Kriegsende begrüßte Staatssekretär Rolf Schmachtenberg die Überlegungen, den Kontakt zu den ukrainischen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zu fördern: "Wir müssen überlegen, wie wir voneinander lernen können, beispielsweise durch Hospitationen oder bilaterale Kooperationen." Michael Ziemons, Dezernent für Soziales und Gesundheit der Städteregion Aachen, berichtete über Erfahrungen aus dem Kontakt von Kliniken der Region mit Krankenhäusern in der Ukraine. Er erklärte, dass oft Grundlegendes fehle, wie beispielsweise Fachliteratur. Derzeit werde in der Region überlegt, wichtige Informationen spendenfinanziert ins Ukrainische zu übersetzen. Guido Rothkopf, Geschäftsführer der CLW, betonte, dass in der Unterkunft für die Menschen mit Beeinträchtigung aus der Ukraine einheimische und ukrainische Fachkräfte wechselseitig voneinander lernten. Der Aachener Diözesan-Caritasdirektor Stephan Jentgens unterstrich die Bedeutung von Bildung als ersten Schritt zur Verbesserung von Lebensverhältnissen. Er schlug vor, Fachkräfte, die in Rente seien, als freiwillige "Senior Experts" in die Ukraine zu schicken. Staatssekretär Schmachtenberg begrüßte diese Ideen und betonte die Notwendigkeit zu prüfen, ob eine Finanzierung solcher Projekte aus Mitteln des Wiederaufbauprogramms für die Ukraine möglich sei. Das Ziel sei es, Menschen mit Behinderungen Teilhabe zu ermöglichen.
Wie das praktisch umgesetzt werden kann, erlebten die Besucher in Alsdorf unter anderem im Berufsbildungsbereich des CBW. Bei der Unterrichtung im Brandschutz unterstützen Bildkarten und Übersetzungsgeräte die jungen ukrainischen Männer beim Verstehen. In der Küche der Einrichtung hatten die Beschäftigten Waffeln für die Gäste gebacken. Dort fiel auf, dass auf der Arbeitsplatte der Küche unterschiedlich große und verschiedenfarbige Becher lagen. Diese dienten den Menschen mit Beeinträchtigung dazu, Zutaten für verschiedene Rezepte abzumessen und Speisen nach bebilderten Anleitungen mit nur sehr wenig Text zuzubereiten. Gennadiy Pidgainy erklärte, dass solche Methoden in der Ukraine nicht bekannt seien. Rolf Schmachtenberg gab zu bedenken, dass es ein erster Schritt sein könnte, die wenigen Stichworte auf den bildreichen Backanleitungen ins Ukrainische zu übersetzen.
Die Besucher zeigten sich beeindruckt von der guten Integration der Geflüchteten aus der Ukraine in den verschiedenen Bereichen der Einrichtung. Der Ministeriumsvertreter und die Fachleute von Caritas und Städteregion vereinbarten, im Kontakt zu bleiben und Ideen weiterzuentwickeln.
ukrainischer junger Mann mittels Übersetzungsgerät im Brandschutz unterrichtet wird.
Pressekontakt: Ute Dohmann-Bannenberg
Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP)
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E-Mail: ute.dohmann-bannenberg@caritas.de
Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) bildet mit mehr als 1.100 Mitgliedern, die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe betreiben, eine der größten Interessenvertretungen von gemeinnützigen Anbietern der sozialen Dienstleistungen für über 200.000 Kinder, Jugendliche und erwachsene Menschen mit Behinderung oder mit psychischer Erkrankung in Deutschland. Der CBP ist ein anerkannter Fachverband im Deutschen Caritasverband. Die Mitglieder des CBP tragen die Verantwortung für über 94.000 Mitarbeitende und unterstützen die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung und psychischen Störungen am Leben in der Gesellschaft.