Die "WELT" berichtet in einem Artikel vom 14.12.2021 über das Schreiben einer Klinik und das
Landratsamt in Tuttlingen, in dem Pflege- und Behinderteneinrichtungen aufgefordert werden,
"in dieser schwierigen Zeit Krankenhauseinweisungen besonders sorgfältig zu bedenken".
Weiter heißt es in dem Schreiben: "Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die
Behandlungsmöglichkeiten im akutstationären Bereich tatsächlich den Menschen - auch
denen unter Ihren Bewohnerinnen und Bewohnern - zur Verfügung gestellt werden, die davon
profitieren können."
"Wir sind fassungslos angesichts der Handlungsaufforderung, aber auch angesichts der
Diktion, in dem zitierten Schreiben", berichtet Gerold Abrahamczik, Sprecher des Angehörigenbeirates im CBP. Die einseitige Einteilung von Patienten, die von einer Behandlung profitieren können gegenüber denen, die dies - nach wessen Einschätzung eigentlich? - nicht können verbunden mit dem Aufruf, dass Krankenhaus und die Notfallmedizin nicht zu behelligen, einzig bei alten und behinderten Menschen weckt unsägliche Assoziationen zur Einteilung in wertes und unwertes Leben aus den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte. Das Schreiben weckt so existenzielle Ängste bei Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen, dass sie im Falle einer schwerwiegenden Erkrankung zugunsten nicht behinderter und / oder jüngerer Menschen nicht intensivmedizinisch behandelt oder erst gar nicht ins Krankenhaus aufgenommen werden. "Wenn man sich sein Leben lang um sein
behindertes Kind kümmert und sorgt, dabei viele Entbehrungen und Einschränkungen gerne
hinnimmt und klaglos erträgt, über die Gesundheit wacht und oft auch bangt, ist das eine
unsägliche Vorstellung" so Gerold Abrahamczik.
Leider deckt sich das Schreiben mit einer Empfehlung der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Menschen mit Behinderung ebenfalls
nicht angemessen berücksichtigt. Auch DIVI empfiehlt bei nicht für alle Patienten
ausreichenden Ressourcen eine Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Intensivtherapie im
Hinblick auf ein realistisch erreichbares, patientenzentriertes Therapieziel im Vergleich zur
Erfolgsaussicht der Intensivtherapie für andere Patienten. Menschen mit Behinderung sehen
sich hier diskriminiert und in ihrem gleichberechtigten Zugang zu medizinischen Leistungen benachteiligt, weshalb eine entsprechende Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig
ist.
"Wir hoffen sehr, dass das Gericht jetzt, wo eine Verschärfung der pandemischen Lage droht, zeitnah entscheidet, damit Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigten Zugang zu medizinischen Leistungen gesichert haben" so Gerold Abrahamczik. Zugleich fordert der Angehörigenbeirat die neue Bundesregierung auf, der UN-Behindertenrechtskonvention auch bei der gesundheitlichen Versorgung Geltung zu verschaffen, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung gerade in den Zeiten, in denen der Schutz der Gesellschaft für Menschen mit Behinderung besonders gefordert ist, zu unterbinden, für einen gleichberechtigten Zugang zu intensivmedizinischen Leistungen zu sorgen und insbesondere die Triage von Menschen mit Behinderung gesetzlich auszuschließen.
15.12.2021
Der Beirat der Angehörigen im CBP zeigt sich entsetzt über den versteckten Aufruf zur Triage durch das Klinikum Landkreis Tuttlingen und des Landrats
Erschienen am:
15.12.2021
Herausgeber:
Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V.
Reinhardtstraße 13
10117 Berlin
Reinhardtstraße 13
10117 Berlin
Beschreibung